Das simpelste vorstellbare Branding kennen Sie schon: Es ist das Brandzeichen auf einem Rinderhintern. Bis heute werden freilaufende Herden auf diese Weise gekennzeichnet, um die Zugehörigkeit zu klären. Und der Begriff »Branding«, den wir auch im Marketing verwenden, wenn es um den Aufbau und die Entwicklung einer Marke geht, ist von dieser uralten Technik abgeleitet. Dass ein Branding Sinn macht, wenn Sie eine unüberschaubare Anzahl von Nutztieren besitzen, versteht sich von selbst, aber warum muss man wirklich jedes Unternehmen mit einer Art modernem Brandzeichen ausstatten?
Eine einfache, aber wichtige Aufgabe des Branding ist die Kennzeichnung des Produkts: Ein Logo, eine bestimmte Schriftart, die verwendete Farbpalette, die Bildwelt – diese Elemente machen klar, wer der Hersteller oder Anbieter eines Produkts oder einer Dienstleistung ist. So können Kunden das Produkt auf den ersten Blick erkennen und vom Rest des Angebots unterscheiden. Dieser Erkennungsprozess ist der allererste Schritt im Kaufprozess, gerade wenn es um relativ simple Vorgänge wie das Aussuchen der Buttersorte im Supermarkt geht.
Branding geht jedoch weit über die reine Kennzeichnung hinaus. Wenn Sie einfach Ihr Logo und den Markennamen auf die Verpackung des Produkts drucken, verkaufen Sie es dadurch noch lange nicht. Schließlich weiß kein Mensch, wofür Ihr Logo steht und was er darunter erwarten kann. Ihr potenzieller Kunde hat noch keine Gefühle für Ihr Produkt, er verbindet noch keine Assoziationen mit ihm, hat noch keine Vorstellung von den Werten, die Ihr Unternehmen repräsentiert. Dieses gefühlte Wissen über eine Marke – ihre Identität – lässt sich nicht von heute auf morgen künstlich aufpfropfen. Es muss sorgfältig erarbeitet werden, damit eine Markenpersönlichkeit glaubhaft und überzeugend wirkt. Nur so können Sie die Kaufentscheidung nachhaltig beeinflussen.
Corporate Branding: Im Rahmen des Corporate Brandings wird die Identität eines Unternehmens als Gesamtpaket konzipiert und gezielt in den Köpfen der Öffentlichkeit, der Mitarbeiter, Kunden, Anteilseigner und anderer Zielgruppen verankert.
Employer Branding: Unter Employer Branding versteht man die Gestaltung eines Unternehmens als attraktiver Arbeitgeber, um sowohl bestehende Mitarbeiter als auch potenzielle Bewerber anzuziehen und sich von anderen Unternehmen auf dem Arbeitsmarkt abzuheben.
Personal Branding: Als Personal Branding wird eine Marketingstrategie bezeichnet, bei der eine Person als individuelle Marke aufgebaut und vermarktet wird. Dabei steht das Image, die Persönlichkeit oder auch die fachlichen Kompetenzen im Vordergrund.
Internal Branding: Unter dem Begriff des Internal Brandings werden alle systeminternen Maßnahmen gefasst, die die Mitarbeiter in den Prozess der Markenbildung miteinschließen, sie für die Marke begeistern und dazu motivieren, gerne für die Marke zu arbeiten.
Product Branding: Product Branding bezieht sich auf die Markendarstellung der Produkte, bzw. wie die Produkte innerhalb einer Marke oder als eigene Brand dargestellt werden.
Stellen wir uns einmal eine ganz einfache, ursprüngliche Version des Handels vor: Ein mittelalterlicher Marktplatz, auf dem Felle verkauft werden. Eine Reihe von Tischen präsentiert sich dem kauffreudigen Publikum, hinter jedem steht ein Händler. Auf den ersten Blick scheinen die Felle keine großen Unterschiede zu zeigen. Tritt der Kunde näher heran, kann er die Felle genauer betrachten, den Preis erfahren und sich einen ersten Eindruck von der Qualität der Felle verschaffen.
Qualität und Preis sind in der Tat sehr wichtige Faktoren für die Kaufentscheidung. Oft lässt sich die Qualität, aber erst richtig beurteilen, wenn das Produkt – in unserem Beispiel das Fell – eine Zeit lang in Gebrauch ist. So muss der Käufer auf die Aussagen des Händlers vertrauen, wenn er sich wünscht, dass das Fell möglichst lange seine Haare hält oder das Leder ausreichend widerstandfähig ist und sich gut weiterverarbeiten lässt.
Auf unsere Fellhändler bezogen heißt das: Die Persönlichkeit spielt eine sehr wichtige Rolle. Die Art und Weise, wie sie die Ware präsentierten, ihre Sprache, die Beziehung zu den Kunden, bestimmte Gesten und äußerliche Merkmale: diese Attribute vermittelten dem Marktpublikum wichtige Eindrücke über Qualität und Preis hinaus. Sie schaffen eine Beziehung und bauen Vertrauen zwischen Händler und Kunde auf. Vielleicht gab es den freundlichen Händler, der sich die Namen der Enkel seiner Kundinnen merkt. Den knorrigen Eigenbrötler, der aber erstklassige Ware auf Lager hat. Das Familienunternehmen, das sich vom Baby bis zur Urgroßmutter am Stand präsentiert. Sie alle haben eines gemeinsam: Ein Alleinstellungsmerkmal. Eine Positionierung. Eine Markenidentität. Natürlich betrieben mittelalterliche Fellhändler keine Marke in dem Sinn – sie selbst waren die Marke.
Es ist früher wie heute nicht ausschlaggebend für die Kaufentscheidung, ob Sie der glanzvollste Händler auf dem Markt sind – Sie gewinnen, wenn Sie der authentischste sind (und Ihr Produkt keine Mogelpackung ist). Ihr Branding muss nicht darauf abzielen, Sie zum Klassenliebling zu machen, sondern es soll für Sie eine Nische schaffen, die hundertprozentig zu Ihrer Marke passt. Es geht um ein stimmiges Gesamtbild, das bei potenzieller Kundschaft Vertrauen aufbaut und Irritationen vermeidet. Und Faktoren wie die in diesem Beispiel beschriebenen tragen erheblich dazu bei, die perfekte Positionierung zu finden und zu halten.
Wie wichtig subjektive Kriterien im Kaufprozess sind, haben zahlreiche Studien eindrucksvoll belegt. Mit einem einfachen Test will ich Ihnen zeigen, wie das funktioniert:
Sie möchten sportlich aktiv werden und dafür ein Mountainbike kaufen. Die Auswahl ist groß und die Hersteller versuchen sich durch technische Ausstattungen zu überbieten. Wen fragen Sie um Rat?
Ein Großteil der Menschen entscheidet sich eindeutig für Person A als »Radratgeber«. Sie brauchen keine zusätzlichen Informationen, wie den Beruf als Entscheidungsgrundlage. Ganz wenige Angaben reichen, um Person A radmäßig die gewünschten Kompetenzen zuzuordnen. Dafür müssen wir die Person weder kennen noch zuvor gesehen haben. Aber warum ist das so?
In vielen Fällen sind wir darauf angewiesen, beim Erwerb eines Produkts oder einer Dienstleistung die Komplexität zu reduzieren. Das Angebot auf dem heutigen Markt ist eben nicht mehr so überschaubar wie im mittelalterlichen Fellhandel, sondern bietet dank Internet meist unzählige Optionen. Darüber hinaus sind wir oft gar nicht in der Lage, die Qualität eines Produkts richtig einzuschätzen. Mal fehlt die Fachkenntnis, mal ist es ein Massenprodukt, mal haben wir einfach nicht die Zeit, um einen gründlichen Vergleich anzustellen. Um sich in diesem Dschungel besser zurechtzufinden, müssen wir Prioritäten setzen, und das läuft häufig ganz unbewusst ab.
Unser Gehirn verlässt sich auf Erfahrungswerte, wenn es faktisch nicht weiterkommt. Es sammelt täglich Informationen und verbindet sie mit Gefühlen, es speichert kleine Bits und Bytes an Wissen, ohne dass wir das merken. Und wirft sie in die Waagschale, wenn wir eine Kaufentscheidung treffen sollen. Im Fall der Radberatung könnte die Information aus dem Unterbewusstsein ungefähr so lauten: Aha, Person »A« sieht aus wie die jungen Männer zwischen 17 und 25, die ich schon oft auf Mountainbikes gesehen habe und wie jemand, dem ich zutrauen würde, ein Fahrrad zu reparieren. Der kann mir sicher weiterhelfen.
Klingt simpel, stimmt’s? Ist es auch – und sehr wirkungsvoll. Es zeigt, dass Branding weit mehr ist als ein reines Corporate Design, sondern dass es darum geht, eine überzeugende Markenpersönlichkeit ins Leben zu rufen. Sie bedient die unterbewussten Prozesse, die am Ende über den Kauf entscheiden.
Heute reicht es nicht mehr, ein einzigartiger Händler auf dem Marktplatz zu sein – es sei denn, Sie sind tatsächlich Markthändler. Unternehmen jedoch werden selten von einer Einzelperson geführt und nach außen vertreten, sondern funktionieren als Organisationen. Deshalb benötigen Firmen und Marken ein Branding: Es übernimmt die Rolle des ursprünglichen Händlers, der in der einfachsten Form als Produzent, Händler und Verkäufer in einem auftritt. Das soll und kann ein Unternehmen aber nicht mehr leisten, also tritt die Markenpersönlichkeit an die Stelle des Einzelhändlers. Wie wichtig Identität und Persönlichkeit für den Kaufprozess sind, haben wir in diesem Beitrag gesehen. Deshalb sollte die Markenentwicklung für Unternehmen ganz vorn auf der To-do-Liste stehen.
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