Falls Sie ein eingefleischter Microsoft-Fan sind, werden Sie es nur zähneknirschend zugeben, aber: Bei der Markenentwicklung hat Apple alles richtig gemacht. Es gibt keine Marke, die öfter genannt wird, wenn es darum geht, Beispiele für gutes Branding aufzuzählen. Man wolle „wie Apple werden“, so der leidenschaftliche Wunsch vieler Geschäftsführer. Ich sage Ihnen ehrlich: Schminken Sie sich das lieber ab.
Angenommen, Sie sind ein schwäbischer Holzdübelhersteller in der vierten Generation. Dann sind Sie nicht Apple und werden auch nie Apple sein, sondern eben ein schwäbischer Holzdübelhersteller in der vierten Generation. Und wissen Sie was? Das ist fabelhaft! Denn Ihr Unternehmen hat Tradition – und diese Historie ist ein wichtiger Teil der Unternehmenspersönlichkeit. Gutes Branding entsteht nämlich aus der DNA der Marke heraus, es fußt auf dem individuellen Markenkern. Es geht nicht darum, eine schicke Verpackung auf einer schicken Website zu präsentieren, sondern der Marke Leben einzuhauchen, ihr eine lebendige Persönlichkeit zu verleihen. Das ist das Ziel des gesamten Brandingprozesses. Warum? Weil Marken nur Erfolg haben, wenn sie authentisch sind.
Im Beispiel des schwäbischen Holzdübelherstellers könnte ein erster Ansatz für ein gutes Branding so aussehen: Das Unternehmen rückt die Werte Tradition und Handwerk stärker in den Kern der Marke. Es erzählt spannende Geschichten über Holz, rückt den Werkstoff in den Vordergrund und inszeniert seine gewachsene Unternehmenshistorie. Und was wird damit erreicht? Von da an wird den Kunden des schwäbischen Holzdübelherstellers bewusst, dass in den kleinen unscheinbaren Dübeln die Erfahrung aus vier Generationen Holzdübelherstellung steckt. Der Kunde versteht, wie sich der große Erfahrungsschatz des Herstellers positiv auf die Qualität der Dübel auswirkt, und bezieht dies auf konkrete Faktoren: die Auswahl des Werkstoffs, die Fertigung, die Lagerung.
Dieses fiktive Beispiel soll Ihnen zeigen, dass Holzdübel nicht gleich Holzdübel sein müssen, sondern gutes Branding aus einem unscheinbaren Produkt ein ganz besonderes werden lässt.
Ganz kompakt gesagt: Branding dient dazu, auf dem Fundament der digitalen Strategie eine passende und überzeugende Markenidentität zu entwickeln. Vom Corporate Design über die Tonality bis zum Employer Branding entsteht so eine umfassende Unternehmenspersönlichkeit mit Haltung und Wertesystem. Alle Kommunikationsmaßnahmen und auch die Implementierung sollten im Einklang mit dieser Corporate Identity stehen – nur dann wird sie nach innen und außen als authentisch begriffen.
Eine Schablone für ein gelungenes Branding gibt es nicht. Zum Glück, denn das wäre auch wirklich langweilig. Jedes Unternehmen bringt seine eigene Persönlichkeit mit, und ebenso vielfältig sind die Ergebnisse der Markenentwicklung. Zwei sehr unterschiedliche Beispiele aus unserer Arbeit als Agentur möchte ich Ihnen im Anschluss zeigen.
Das Theater im Bauturm ist ein freier Kulturbetrieb in unserer Heimatstadt Köln. Es hat eine lange Geschichte und einen hohen künstlerischen Anspruch. Was es nicht hat: ein großes Budget. Also bestand unsere Herausforderung darin, die gewachsene Persönlichkeit des Theaters zu bewahren, sein Erscheinungsbild aber immer wieder behutsam dem Zeitgeist anzupassen. Wichtig ist außerdem, die Identität des Kulturbetriebs deutlich zu unterstreichen und sie gestalterisch unverwechselbar abzugrenzen. Wo auch immer die Kommunikation des Theaters auftaucht – der Absender soll klar erkennbar sein. Und die Kosten sollen im Rahmen bleiben.
Im Zentrum steht das Logo des Theaters, das sehr einfach und sehr markant gestaltet ist. Es lässt sich spielerisch variieren, ohne an Identität einzubüßen – vom Bierdeckel bis zum T-Shirt. Die kraftvolle Farbgebung in Rot, Weiß und Schwarz schafft dazu eine auffällige, aber simple Klammer. Klar ist: Das Theater im Bauturm fällt auf. Es bleibt im Gedächtnis. Es hat Ecken und Kanten. Und das ist auch absolut gewollt.
Und weil ich Ihnen zeigen will, dass Branding nicht per Schablone funktioniert, schauen wir uns als zweites Beispiel unseren Kunden evoxx an. Die Biotech-Marke muss sich in einem innovationsgetriebenen Markt behaupten. Sie entstand aus der Fusion zweier renommierter Unternehmen – und ein neues Branding sollte dabei helfen, evoxx als eigenständige Marke zu positionieren.
Also haben wir von Grund auf neu angesetzt. In einem Workshop haben wir den Markenkern herausgearbeitet und in einem Satz komprimiert: „Funktionale Inhaltsstoffe für gesunde Ernährung.“ Auf dieser Basis entwickelten wir den Markennamen, das Corporate Design und weitere Kommunikationsmittel. Der Satz war unser Leuchtturm für den gesamten Brandingprozess.
Letztlich ist es so: Sie können alles richtig machen. Einen klangvollen Markennamen entwickeln, ein hochwertiges Corporate Design gestalten lassen, die Website auf den neuesten Stand bringen – und trotzdem tuckert Ihr Branding kraftlos dahin. Wie kann das sein? Kann das denn überhaupt sein? Ja, durchaus. Zwei Gründe sind dafür häufig verantwortlich:
Zum einen geht es bei der Markenentwicklung nur in zweiter Linie um das eigene Produkt. Unternehmen hören das nicht immer gern, aber es stimmt. Die Bedürfnisse des Kunden sind es, die im Mittelpunkt stehen müssen. Was für den Kunden relevant ist, zählt. Wenn Sie Ihr Branding konsequent daran ausrichten, was Ihre Kundschaft braucht und will, statt endlos um die Qualitäten des Produkts zu rotieren, machen Sie sehr viel richtig. Diese Herangehensweise – auch als Inbound Marketing bezeichnet – braucht etwas Mut, das verstehe ich sehr gut. Aber sie wird sich auf jeden Fall auszahlen.
Und der zweite Grund? Das sind die eigenen Mitarbeiter. Auch der schönste Brand Guide wird die Belegschaft nicht von selbst motivieren. Der Brandingprozess ist im Unternehmen oft von Verunsicherung begleitet. Menschen mögen von Natur aus keine größeren Veränderungen. Aber erfolgreiche Marken werden von innen nach außen getragen. Es ist also zentral, die Mitarbeiter in die Markenentwicklung einzubeziehen. Sie müssen verinnerlichen, wofür die Marke steht und warum sie ein Teil davon sind. Die Identifikation mit den Unternehmenswerten ist essenziell – denn nur dann können diese Werte auch überzeugend nach außen getragen werden.
Gutes Branding besteht nicht nur aus einem tollen Corporate Design, wie dieser Beitrag und die Beispiele gezeigt haben. Es beruht vielmehr auf einer ganzheitlichen und maßgeschneiderten Herangehensweise, die im Markenkern beginnt und letztlich im Kundenkontakt Früchte trägt. Nach Schema F vorzugehen, ist deshalb weder sinnvoll noch erfolgreich. Seien Sie also ruhig skeptisch bei der Markenentwicklung. Denken Sie quer, lassen Sie Neues zu. Und verlieren Sie nie Ihre Kunden aus den Augen.
Wenn Sie in das Thema Branding tiefer einsteigen wollen, empfehle ich Ihnen unser E-Book zum Thema: